DAkkS-Kalibrierschein: Warum das nicht gleich immer „i.O.“ heißt!

Allein das Vorhandensein eines DAkkS-Kalibrierscheins ist in vielen Unternehmen der Freifahrtschein zur Verwendung eines Messmittels! Wir klären auf, warum das nicht so ist.

Der DAkkS-Kalibrierschein allein ist kein Freifahrtschein zur Verwendung eines Messmittels!

Haben Sie Ihre Kalibrierung richtig definiert für Ihren Anwendungsfall? Hat Ihr Kalibrierlabor die Kompetenz? Haben Sie Informationen über die verwendeten Normale? Haben Sie den Kalibrierschein geprüft? Passt die Konformitätsaussage zu Ihrer Anwendung oder haben Sie ihre eigene Konformitätsaussage getroffen? 

Oder klingt das alles neu für Sie – dann sind Sie hier richtig!

Im Rahmen der Akkreditierung eines Laboratoriums auf Basis der DIN EN ISO/IEC 17025 oder  DIN EN ISO/IEC 15189 ist es notwendig, die Messmittel (die DIN EN ISO/IEC 17025:2018 spricht von “Einrichtungen”), die im akkreditierten Bereich ergebnisrelevant sind, metrologisch rückzuführen. Das bedeutet, dass ein Laboratorium eine ununterbrochene Kette von Kalibrierungen zum höchsten nationalen Normal, bzw. einer SI-Einheit vorweisen muss, aus der sich ebenfalls die Messunsicherheit der Einrichtung ergibt.

Auch im Rahmen der Zertifizierung nach ISO 9001, ISO 13485 oder der IATF 16949 spricht die jeweilige Norm von der “metrologischen Rückführung” von qualitätsrelevanten Messmitteln.

Für die meisten Messmittelverantwortlichen bedeutet dies, dass man das Messmittel “DAkkS-kalibrieren” lässt – und sobald der Kalibrierschein vorliegt, betrachtet man die Anforderungen als erfüllt und setzt das Messmittel ein. 

Doch hier sehen wir immer mehr Messmittelverantwortliche mit einem Irrglauben konfrontiert – und einer Fehlinterpretation des Vorgangs der “Kalibirerung” aufgesessen. Viele Messmittelverantwortliche sind der Auffassung, wenn man ein Messmittel zu einer “DAkkS-Kalibrierung” wegsendet und samt Kalibrierschein wiederbekommt, dann ist alles OK und wieder alles “neu eingestellt”.

Doch weit gefehlt: Der DAkkS-Kalibrierschein ist kein Freifahrtschein zur Verwendung eines Messmittels. Er zeigt – wenn nicht anders definiert – die Abweichung zum höheren Normal und enthält – wenn nicht anders definiert – oft auch keine Konformitätsaussage.

Sehr häufig zeigen DAkkS-Kalibrierscheine die Konformitätsaussage “n.i.O” oder “nicht bestanden” – ohne dass dies jemandem auffällt, wird dennoch die Freigabe für das Messmittel erteilt, weil der Kalibrierschein da ist.

Wie Sie zukünftig Ihre Kalibrierungen so organisieren, dass Sie die Anforderungen zur metrologischen Rückführung sicher und richtig abbilden, beleuchten wir in diesem Artikel. 

„Kalibrierung“ heißt nicht „Justage“

Kalibrierung in der Messtechnik ist ein Messprozess zur Feststellung und Dokumentation der Abweichung eines Messgerätes oder einer Maßverkörperung gegenüber einem anderen Gerät oder einer anderen Maßverkörperung, die in diesem Fall als Normal bezeichnet werden. Sollte die Abweichung für Sie nicht akzeptabel sein, so KANN eine Justage vorgenommen werden, oder entsprechende Kalibrierfaktoren ermittelt oder angewandt werden. Bevor man jedoch justiert oder Kalibrierfaktoren anwendet, sollte man sich in der Regeln die Frage stellen, woher die Abweichung kommt. Die Justage ist NICHT Bestandteil der Kalibrierung, sondern muss ggf. – wenn gewünscht – separat bestellt werden. In der Regel folgt nach der Justage noch eine weitere Kalibrierung. Wer die Kalibrierung UND die Justage durchführt, ohne dies kenntlich zu machen oder dies tiefgehend zu analysieren, baut unter Umständen unerkannte Fehler in die Messergebnisse ein und trägt zu eklatanten Messfehlern bei.

Um eine Kalibrierung durchführen zu können, und beurteilen zu können, ob das Messmittel nach der Kalibrierung als “i.O.” oder “n.i.O” betrachtet werden kann (Konformitätsaussage), ist es wichtig, dass Sie für Ihr Messmittel VOR der Kalibrierung festlegen, in welchem Messbereich und mit welchen erlaubten Grenzwerten Sie ihr Messmittel einsetzen werden (Kalibrierdefinition). 

Wir sehen sehr viele Messmittel, die über ihren gesamten Messbereich kalibriert sind, obwohl sie nur in einem Teilbereich eingesetzt werden – für diesen Einsatzmessbereich aber oft gar keine Kalibrierpunkte vorliegen. Ein Beispiel sind z.B. Temperaturdatenlogger in der Umweltsimulation. Die Temperaturbereiche im akkreditierten Verfahren sind typischerweise -40°C bis 60°C oder maximal 120°C. Kalibriert werden die Logger jedoch von -90°C bis 1600°C an den Temperaturpunkten -90°C, 0°C, 100°C, 200°C … bis 1600°C. Dies bedeutet, dass im Einsatzbereich kein einziger Kalibrierpunkt vorliegt. 

Im schlimmsten Falle wird dann aus Kostengründen auf eine “Werkskalibrierung” zurückgegriffen, anstatt die Kalibrierung an den Einsatzbereich anzupassen, um Kalibrieraufwände zu reduzieren. 

Bitte beachten Sie dazu: Es gibt im Prinzip keine “DAkkS-Kalibrierung” – es gibt den Nachweis der metrologisch rückführbaren Kalibrierung eines kompetenten (akkreditierten) Kalibrierlabors. Ob dieses Labor in Deutschland von der DAkkS oder im Ausland von einer anderen nationalen Akkreditierungsbehörde den Kompetenznachweis erhalten ist, spielt keine Rolle. Alle akkreditierten Kalibrierlabore haben die Kompetenzbestätigung. “DAkkS-Kalibrierung” ist quasi Volksmund und meint den Nachweis der metrologischen Rückführung durch ein kompetentes akkreditiertes Labor.

Werkskalibrierungen enthalten diesen Kompetenznachweis nicht implizit. Werkskalibrierungen können auch von nach ISO 9001 zertifizierten Laboratorien oder Werkslaboratorien zertifizierter Messgerätehersteller erstellt werden, die nicht nachweislich kompetent für die Durchführung einer Kalibrierung sind.

Sicher metrologische Rückführung nachweisen können Sie nur durch die Kalibrierung eines kompetenten, akkreditierten Kalibrierlabors.

„Kalibrierung“ beginnt mit Ihrer Kalibrierdefinition

Eine metrologisch rückführbare Kalibrierung startet mit der Definition Ihres anwendungsbezogenen Messbereichs. Legen Sie fest, in welchem Messbereich Ihr Messmittel eingesetzt wird. Dies resultiert in vielen Fällen aus Ihrer Prüfnorm, die Sie anwenden, oder aus dem typischen Messbereich, den das Messmittel in Alltag abdecken muss. 

Legen Sie dann Ihre anwendungsbezogenen Grenzwerte fest – also in welchen Grenzen erlauben Sie die Streuung der Messwerte, so dass das Messmittel für Sie noch “i.O.” ist. Um die Grenzwerte herauszufinden, ist es oftmals sinnvoll und nötig, eine Messsystemanalyse oder Messunsicherheitsbetrachtung Ihres gesamten Verfahrens unter Berücksichtigung der Matrix (Probeneinfluss), der Umweltbedingungen und der Bediener (und ggf. weiterer Einflussfaktoren) durchzuführen. 

Diese Kalibrierdefinition teilen Sie ihrem Kalibrierlabor mit und vereinbaren mit dem Kalibrierlabor eine Entscheidungsregel. Nur unter diesen Bedingungen kann das Laboratorium überhaupt eine Konformitätsaussage tätigen. Ansonsten kann sich das Kalibrierlabor nur auf Herstellerangaben beziehen, die sich eventuell nicht mit Ihrer Anwendung decken.

Im Rahmen unseres Prüfmittelmanagements auf der AUDITTRAILS-17025 Plattform, stehen Ihnen explizite Datensätze für die Kalibrierdefinition zur Verfügung. 

Für dieses Beispiel haben wir uns eine Kalibrierung eines Datenloggers zur Überwachung einer Probenlagerung von Kunststoffen ausgesucht. Der Lagerplatz soll auf Standardklima nach DIN EN ISO 291 Klasse 1 überwacht werden. Der Raum wird auf 23°C +-1°C und 50% +-5% relative Luftfeuchte konditioniert. 

Der zu verwendende Datenlogger hat eine Temperatur-Messgenauigkeit von +-0,5°C. Unsere resultierenden Grenzwerte legen wir auf +-1°C fest. Die Feuchte-Messgenauigkeit liegt bei +-2%. Unsere zulässigen Grenzwerte werden auf +-3% festgelegt.

Festlegung eines Nennwertes mit entsprechenden Grenzwerten
Vollständige Messbereichs- und Grenzwertdefintion – passend auf unser Verfahren
Grenzwertdefinition zur relativen Feuchte

Auf Basis dieser Kalibrierdefinition ist nun eine Konformitätsaussage möglich!

Wir haben nun die Kalibrierdefinition festgelegt, auf Basis derer all unsere Datenlogger im Laboratorium kalibriert werden, die die Probenlagerung von Kunststoffen überwachen. Zudem hat das Kalibrierlaboratorium eine klare Vorstellung von Ihrem angestrebten Einsatzbereich und der erwarteten Grenzwerte.  

In Bezug auf die Entscheidungsregel legen wir fest, dass wir nur Fall I als “i.O.” akzeptieren, wo der gemessene Wert inklusive seiner Messunischerheiten (bei Temperatur +-0,5°C, bei Feuchte +-2%) innerhalb unserer zulässigen Grenzwerte liegen muss.

Fälle zur Entscheidungsregel

Überprüfung des Kalibrierscheins

Unter Kenntnis der genannten Sachverhalte ist es also IMMER erforderlich, die Kalibrierung sauber zu definieren, die empfangenen Kalibrierscheine selbst intensiv zu überprüfen und genau zu verstehen, wie die Kalibrierung durchgeführt wurde. Nur so ist ein Einsatz des Messmittels bedenkenlos möglich und eine Aussage über die Genauigkeit des Messergebnisses valide.

Die AUDITTRAILS-17025 Plattform bietet die Möglichkeit auf Basis der Kalibrierdefinition die Kalibrierscheine umfassend zu validieren.

Überprüfung der Kalibrierung
Überprüfung der Kalibrierung

Nach der Überprüfung des Kalibrierscheins auf Einhaltung der Grenzwerte und der Überprüfung der Angaben zu metrologischen Rückführung der verwendeten Normale, können Sie sicher sein, dass das Prüfmittel für Ihren Anwendungsfall entsprechend kalibriert ist. Dies bedeutet, dass Sie rückführbar auf das höchste nationale Normal bzw. eine SI-Einheit eine Aussage über die Messgenauigkeit in ihrem Anwendungsbereich treffen können.

Suchen Sie doch mal einen Ihrer “DAkkS-Kalibrierscheine” raus und schauen Sie mal nach, ob Sie nicht das ein oder andere Optimierungspotential finden.

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