Laboratorium

Unparteilichkeit: Ein MUSS im akkreditierten Labor – doch wissen Sie, warum?

Wir erläutern, was hinter der Anforderungen zur "Unparteilichkeit" steckt!

„Die Labortätigkeiten müssen unparteilich durchgeführt werden!“ – Was heißt das für mich?

Wenn man sich mit den Anforderungen an die Akkreditierung nach DIN EN ISO/IEC 17025:2018 erstmalig auseinandersetzt, stößt man gleich zu Anfang in den „Allgemeinen Anforderungen“ im Kapitel 4.1 schon auf eine erste Normforderung, die bei vielen Verantwortlichen in Laboratorien bereits Unsicherheit auslöst und einen Haufen Fragen aufwirft. 

Wir erläutern, was hinter den Anforderungen zur „Unparteilichkeit“ steckt, warum die Anforderung für ein Laboratorium so wichtig ist und geben Hinweise, wie man die Forderung umsetzt.

Akkreditierung: Viele offene Fragen zur ISO17025!

Erläuterung der Forderung

Genaue Angaben zur Forderung entnehmen Sie der Quelle: DIN EN ISO/IEC 17025:2018 im BEUTH-Verlag, DIN Deutsches Institut für Normung e.V.


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Kapitel 4.1.1 Hier finden Sie die Forderung nach unparteilicher Durchführung der Labortätigkeiten und derartiger Strukturierung der Tätigkeiten, dass Unparteilichkeit sichergestellt ist.

Zuerst muss man sich die Frage stellen:
Wie kann das Laboratorium eigentlich dafür sorgen, dass es seine Tätigkeiten objektiv durchführt und die Unparteilichkeit sichergestellt ist – und WARUM?

Wichtig ist dabei, dass die Prüf- und Kalibrierergebnisse, die im Laboratorium erzeugt werden, unabhängig von äußeren Einflüssen sind. D.h. die Ergebnisse entstehen nur durch die technischen Gegebenheiten. Parteiliches Handeln des Personals, das zu fehlerhaften Ergebnissen führen könnte, muss durch Schulungen, Sensibilisierung, Vermittlung der Ziele des Laboratoriums und ein hohes Vertrauen der Geschäftsleitung in die Mitarbeiter, sowie vertragliche Vereinbarungen vermieden werden.

Das Laboratorium muss ständig bemüht sein, das Vertrauen in seine Tätigkeiten zu stärken. Insbesondere gegenüber dem Kunden muss das Laboratorium als objektiver Partner gelten. Durch die transparente Kommunikation aller Tätigkeiten des Laboratoriums und der verbundenen Organisationen werden Interessenkonflikte beigelegt, bevor sie Auswirkungen auf die Kundenergebnisse haben. Ebenso muss das Laboratorium die Risiken in Bezug auf Interessenkonflikte und deren Folgen laufend untersuchen und minimieren.

Das Ziel ist es, neben der Erstellung von korrekten, validen Ergebnissen, Vertrauen der Kunden zu gewinnen und stetig zu stärken.

Akkreditierung: Ziel ist, das Vertrauen des Kunden zu stärken!
Akkreditierung: Ziel ist, das Vertrauen des Kunden zu stärken!

Kapitel 4.1.2 Hieraus geht hervor, dass sich die Leitung des Laboratoriums zur Unparteilichkeit verpflichtet. Die Leitung lebt also vor, wie man mit dem Thema verantwortungsvoll umgeht.
Das Laboratorium muss sicherstellen, dass alle Mitarbeiter die Bedeutung und Wichtigkeit der Unparteilichkeit verstehen, und dass es Interessenkonflikte handhabt und minimiert.

Durch die gemeinsame Behandlung von Risiken zur Unparteilichkeit und der Kommunikation und vorbeugenden Beilegung von ggf. aufgetretenen Interessenkonflikten  im Rahmen regelmäßiger Laborbesprechungen und bei internen Audits und Managementbewertungen kann das Laboratorium – insbesondere die Leitung – die Verpflichtung zur Unparteilichkeit in der Praxis stetig untermauern.

Kapitel 4.1.3 Das Kapitel fordert, dass das Laboratorium keinen finanziellen, kommerziellen oder sonstigen Druck auf das Laboratorium zulassen darf. Auch hier muss man zuerst die Frage stellen, wie das Laboratorium sicherstellen kann, dass kein kommerzieller, finanzieller oder sonstiger Druck die Tätigkeiten des Laboratoriums beeinflusst. Unterliegt doch quasi jedes Unternehmen einem solchen Druck. Der Umgang mit dieser Normanforderung ist in einem Laboratorium, das nicht nur Kosten verursachen, sondern auch am Ertrag teilhaben soll, nicht immer einfach.

In diesem Abschnitt der Norm ist allerdings die Art von Druck gemeint, die die Unparteilichkeit gefährdet und sich somit negativ auf die Qualität und Validität der Labortätigkeit auswirken kann. Deshalb ist es so wichtig, dass jedem Mitarbeiter klar ist, dass man nur dann als Laboratorium Erfolg haben kann und die Erwartungen der Kunden erfüllt, wenn die Prüfungen und Kalibrierungen frei von äußeren Zwängen erfolgen.

Überlegungen dazu muss man auch in die Risikobetrachtungen (siehe 4.1.4) einbeziehen und in der Organisation der Labortätigkeiten mit beachten.

Kapitel 4.1.4 In diesem Kapitel liest man den ersten Hinweis, die Notwendigkeit zu Identifikation von Risiken. Hier natürlich konkret bezogen auf die Risiken für die Unparteilichkeit. Die Anforderung laufender Identifizierung von Risiken ist neu. Risikoabschätzungen zur Unparteilichkeit sind laufend zu erstellen und auch kontinuierlich – z. B. über Besprechungen mit den Mitarbeitern – zu aktualisieren.

Ein gutes Beispiel für mögliche Interessenkonflikte könnten Nebentätigkeiten der Labormitarbeiter oder der Leitung, z.B. um Gutachter- oder Expertentätigkeiten für bestimmte Firmen, Mitarbeit in nationalen und internationalen Projekten zur Entwicklung oder Untersuchung bestimmter Verfahren oder Geräte oder bei Herstellerlaboratorien auch die Mitarbeit in der eigenen Entwicklung, sein.

Zur Identifikation dieser Risiken ist es wesentlich, dass das Labor selbst die Interessenkonflikte durch diese anderen Tätigkeiten analysiert und die Interessenkonflikte durch geeignete Maßnahmen beilegt. Zum Beispiel ist es im Interesse des Laboratoriums, dass nur die Mitarbeiter die Prüfungen organisieren und durchführen, die vorher nicht an der Entwicklung von Stoffen, Geräten oder Verfahren beteiligt waren.

Auch ein Blick auf die vorhandenen Ressourcen kann wichtig sein. Hier kommen immer dann Zweifel im Hinblick auf die Objektivität auf, wenn die Personaldecke so gering ist, dass die Aufgabenverteilung auf andere Mitarbeiter nicht oder nur schwer möglich ist. Hier sind Aufzeichnungen über die Mitarbeit an den Projekten und Aufgaben des Labors, damit man im Zweifel nachvollziehen kann, wer welche Aufgaben durchgeführt hat und wer für welche Aufgaben verantwortlich war, zwingend nötig.

Risiken für die Unparteilichkeit des Laboratoriums können auch entstehen, wenn es Teil einer größeren Einheit ist (z.B. Teil einer Firma, die weitere Tätigkeiten durchführt, die Produkte herstellt oder andere Dienstleistungen anbietet). Solche Laboratorien – oft als interne Laboratorien, Zentrallaboratorien oder Werkslaboratorien bezeichnet – müssen besondere Vorkehrungen und Festlegungen zur Einhaltung der Forderungen hinsichtlich Unparteilichkeit treffen. Das können spezielle organisatorische oder personelle Festlegungen sein. Erklärungen der Geschäftsleitung, dass der Leiter des Laboratoriums in seinen fachlichen Entscheidungen in keinem Fall der fachlichen Weisung anderer Leiter oder der Geschäftsführung/des Vorstandes unterliegt, findet man in der Praxis sehr häufig („Freistellungserklärung“). Der Leiter des Laboratoriums muss seine fachlichen Entscheidungen bzgl. der Erstellung der Prüf- und Kalibrierergebnisse frei von Interessen anderer Abteilungen der Firma oder der Geschäftsführung fällen. Das Ziel muss immer sein, die Unparteilichkeit der Ergebnisse des Laboratoriums zu sichern – auch wenn das Ergebnis dem Kunden nicht gefällt und er gerne ein anderes Ergebnis („passed“ oder „bestanden“ oder „i. O.“) hätte. Bei der Erfüllung der Anforderungen der DIN EN ISO/IEC 17025 steht die Erstellung von korrekten, validen, reproduzierbaren Prüf- und Kalibrierergebnissen ÜBER der Kundenzufriedenheit. Dies muss für die Labore auch als große Chance gesehen werden.

Noch etwas komplexer wird es bei Herstellerfirmen. Dort ist es letztendlich auch immer im Interesse der Firma selbst, wenn die Freigabe der Produktion auf unparteilichen und validen Prüf- oder Kalibrierergebnissen beruht. Objektivität muss auch hier oberstes Ziel sein.

Im Managementsystem des Labors, d.h. in den Prozessen muss bzgl. der Unparteilichkeit auch festgelegt werden, welche Tätigkeiten, die Interessenkonflikte auslösen können, das Laboratorium durchführen darf und welche es aus Gründen der Unparteilichkeit nicht durchführen darf (z.B. Wechsel eines Entwicklungsmitarbeiters in das Labor während eines laufenden Entwicklungsprojektes). Dieser Interessenkonflikt muss natürlich auch in der Risikobetrachtung bewertet werden. Wenn neue Aufgaben, als die bisher veröffentlichten an das Laboratorium herangetragen werden und/oder ggf. bei jedem neuen Auftrag oder Projekt, muss entschieden werden, ob es hier Interessenkonflikte geben kann. Sinnvoll kann hierbei eine kurze Risikobewertung (in Form der gedanklichen Machbarkeitsanalyse bei jedem Auftragseingang) für jeden Auftrag sein, der an das Labor gerichtet wird. Gemäß Abschnitt 7.1 der Norm müssen ohnehin Anfragen, Angebot und Verträge geprüft werden. Zumindest eine kritische Selbstanalyse sollte nie fehlen – es ist weniger wichtig formale Anforderungen an eine Risikoanalyse zu erfüllen als sich systematisch und bewusst mit Risiken auseinanderzusetzen.

Kapitel 4.1.5 In diesem Kapitel wird der Hinweis gegeben, dass neben der Identifikation von Risiken (auch der laborspezifischen Risiken) insbesondere entsprechende Gegenmaßnahmen wichtig sind. Wesentlich ist, dass das Laboratorium umgehend reagiert, wenn es ein Risiko für die Unparteilichkeit identifiziert hat. Der regelmäßigen Auswertung der Risikoabschätzungen muss ein Maßnahmenplan zur Minimierung oder Beseitigung ermittelter Risiken für die Unparteilichkeit folgen.

Was wir Ihnen zur konkreten Umsetzung raten:

  • Wurden von den relevanten Leitungsebenen Freistellungserklärungen erteilt?
  • Ist die Behandlung von Unparteilichkeitsrisiken Tagesordnungspunkt bei Laborbesprechungen?
  • Werden Unparteilichkeitsrisiken laufend identifiziert, d. h. bei jeder Änderung im Labor und sogar evtl. bei jedem neuen Auftrag?
  • Haben Sie Schulungsunterlagen zum Thema „Unparteilichkeit“ zur Hand?
  • Sind Ihre Mitarbeiter geschult und haben sie sich zur Unparteilichkeit verpflichtet?
  • Haben Sie die Wirksamkeit der Schulungen überprüft?
  • Liegt eine Prozessfestlegung zum Umgang mit Unparteilichkeit vor?
  • Führen externe Personen (z. B. externe Probennehmer) akkreditierte Labortätigkeiten für das Labor aus und sind diese auch persönlich und vertraglich zur Unparteilichkeit verpflichtet?
  • Haben Sie die Unparteilichkeit als Qualitätsziel festgelegt?

Neben der formalen Umsetzung dieser Forderung (Freistellungserklärungen, laufende Bewertung von Risiken, Schulungen und Schulungsnachweise, Prozessdokumentation etc.) steckt dahinter ein Entwicklungsprozess im gesamten Team des Laboratoriums. Ein Akkreditierungsprojekt zur Einführung der ISO 17025 im Laboratorium ist eine tolle Chance, für die Etablierung eines zukunftsorientierten Mindsets. 

Ihre Kunden erwarten von einem akkreditierten Laboratorium objektive, valide Ergebnisse. Die Mitarbeiter im Labor haben die fachliche Kompetenz und werden diese im Laufe eines Akkreditierungsprozesses immer weiter vertiefen. Das Wissen, dass sich die Mitarbeiter Ihres Labors im Rahmen eines Akkreditierungsprozesses aneignen, ist das, was Sie als Laboratorium auszeichnet. 

Richten Sie Ihre stetige interne und externe Kommunikation mit hoher Transparenz kundenzentriert und mitarbeiterzentriert aus und stellen Sie das Vertrauen Ihrer Kunden in den Mittelpunkt. Der Erfolg Ihres Akkreditierungsprojektes und der zukünftige Aufwand, den Sie im Rahmen der Akkreditierung in Zukunft betreiben, hängt vom Mindset Ihres Teams ab. 

Wenn Sie gerne auf einen kompetenten Begleiter auf dem Weg in die Akkreditierung zählen würden, der mit Ihrem Team an den richtigen Schrauben dreht, stehen wir Ihnen mit der AUDITTRAILS Networks GmbH, unseren Partnern und der Erfahrung aus rund 100 Akkreditierungsprojekten gerne zur Verfügung.

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